Am 15. Januar 2021 hat die Expertenkommission die überarbeitete 2. Fassung des Deutschen Public Corporate Governance-Musterkodex (D-PCGM) nach einem umfangreichen Konsultationsverfahren (hier Stellungnahmen abrufbar) veröffentlicht. Hierüber hat u.a. die Deutsche Presse-Agentur berichtet. Die Expertenkommission würde sich für die Sache sehr freuen, wenn Sie das Thema aufgreifen und weiterverbreiten würden (siehe auch Twitter-Hashtag „#dpcgm“). Hier können Sie auch die Pressemitteilung der Zeppelin Universität zum D-PCGM mit Zitaten der Expertenkommission herunterladen. Den Deutschen Public Corporate Governance-Musterkodex finden Sie hier auf dieser Internetseite.

Die interessierte Öffentlichkeit ist eingeladen, zum D-PCGM schriftliche Stellungnahmen zu verfassen. Die Stellungnahmen werden von der Expertenkommission D-PCGM in die weiteren Erörterungen aufgenommen und im weiteren Verlauf auf der Website des D-PCGM veröffentlicht, soweit die Verfasser/innen der Stellungnahmen der Offenlegung nicht widersprechen. Die Stellungnahmen werden bis zum 15. Mai 2021 erbeten an kontakt@musterkodex.de. Es besteht jedoch auch nach diesem Datum weiterhin die Möglichkeit, Stellungnahmen einzureichen und eine Berücksichtigung durch die Expertenkommission wird gewährleistet. Im vergangenen Jahr haben neben vielen weiteren Institutionen u.a. der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund unterstützende Beschlüsse zur Nutzung des Musterkodex gefasst.

Zur Realisierung von Entwicklungsbeiträgen für die sog. großen Themen unserer Zeit, werden die Erfordernisse und Chancen von Public Corporate Governance Kodizes in den Gebietskörperschaften einschlägig betont. Das Thema „Public Corporate Governance Kodex“ gehört zeitnah auf die Tagesordnung aller entsprechenden politischen Organe wie zum Beispiel Stadträten u.a. mit Blick auf Corporate Governance-Maßnahmen der Politik im Zuge des Wirecard-Skandals, die Bewältigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Daseinsvorsorge sowie die Debatte um Vertrauen in den Staat. Die Bundesregierung hat am 05.01.2021 einen Entwurf für das Zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) beschlossen. Nach diesem muss in Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen, die „aus mehr als drei Personen“ bestehen, „mindestens eine Frau und mindestens ein Mann Mitglied des Vorstands sein“. In Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes mit „mehr als zwei Geschäftsführer[n], muss mindestens ein Geschäftsführer eine Frau und mindestens ein Geschäftsführer ein Mann sein“. Dabei drängt sich die Frage auf, wie die Anforderungen von Städten und Bundesländern in die Regelwerke und Public Corporate Governance Kodizes für ihre eigenen öffentlichen Unternehmen übernommen werden.

Zitate für die Presse von Prof. Dr. Ulf Papenfuß, wissenschaftlicher Vorsitzender der Expertenkommission D-PCGM.

„Das Thema Public Corporate Governance Kodizes und Deutscher Public Corporate Governance-Musterkodex gehört u.a. mit Blick auf Corporate Governance-Maßnahmen der Politik im Zuge des Wirecard-Skandals, das aktuell debattierte Gesetz zu Frauen in Führungspositionen, die Bewältigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie und die Debatte um Vertrauen in den Staat vor Ort auf die Tagesordnung aller entsprechenden politischen Organe wie zum Beispiel Stadträten.“

„In Studien ist festzustellen, dass bei bestehenden Public Corporate Governance Kodizes vor Ort viele Regeln noch nicht aufgenommen wurden, die wichtig wären für die von der Politik formulierten Ziele. Ebenso gibt es aber eine Reihe von anerkennenswerten Beispielen, bei denen hochengagierte Akteurinnen und Akteure sich bereits auf den richtigen Weg bei der Einführung und Evaluation von Public Corporate Governance Kodizes gemacht haben.“

Zitate für die Presse Professor Dr. Klaus-Michael Ahrend aus, Praxis-Vorsitzender der Expertenkommission und Vorstand der HEAG Holding AG

„Die Unternehmen der öffentlichen Hand sollten mit gutem Beispiel für die Corporate Governance vorangehen. Dabei hilft der Musterkodex. Er bietet neben nutzbringenden Regelungsvorschlägen zu den Unternehmensorganen auch Ansätze für mehr Digitalisierung und Nachhaltigkeit in öffentlichen Unternehmen.“

Erläuterungen zum Konsultationsverfahren

Public Corporate Governance Kodizes sollen Grundcharakteristika des Public Corporate Governance Systems kompakt zusammenfassen und so verständlich machen sowie regelmäßig auftretende Governancefragen, Unklarheiten oder Lücken in Gesetzen gezielt adressieren und damit unterstützende Hinweise geben.

Der D-PCGM bietet ein fundiert ausgearbeitetes Unterstützungsangebot für Akteursgruppen, die in Gebietskörperschaften und öffentlichen Unternehmen mit der Etablierung eines Public Corporate Governance Kodex oder der Evaluation eines bereits vorliegenden Public Corporate Governance Kodex betraut sind. Weiter bietet er relevante Impulse zu möglichen Herangehensweisen an zahlreiche Governancefragen für alle mit der Thematik befassten Akteursgruppen. Der D-PCGM soll übergreifende Mehrwerte und individuelle Unterstützung im Arbeitsalltag liefern.

Die Expertenkommission dankt allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Konsultationsverfahren, an der Fachkommentierung und am ZU|kunftssalon Public Corporate Governance 2020 an der Zeppelin Universität Friedrichshafen für ihre wertvollen Beiträge und die Unterstützung bei der Entwicklung des D-PCGM.

Die inhaltlichen Änderungen im Vergleich zur Fassung vom 07.01.2020 sind hier in dem Dokument „D-PCGM Aenderungen Vorjahresvergleich“ im Änderungsmodus dargestellt. Auf einige übergreifende Punkte aus dem Konsultationsverfahren und den Stellungnahmen möchte die Expertenkommission an dieser Stelle antworten:

  1. Die Expertenkommission D-PCGM hat vielfältig unterstützende Stellungnahmen und zahlreiche weitere unterstützende E-Mails erhalten. Die Resonanz und der Zuspruch zeigen, dass die Arbeit der Expertenkommission mit dem D-PCGM für die in der Präambel formulierten Ziele in die richtige Richtung geht. Das einige Ansätze und Regelungen auch kontrovers kommentiert und diskutiert wird, liegt in der Natur der Sache und des Themas und ist auch in anderen Politikbereichen festzustellen. In der Gesamtschau gibt es zu den zentralen Punkten sehr viel Unterstützung für den D-PCGM.
  2. Der Detaillierungsgrad und der Umfang des D-PCGM in der vorliegenden Form ist erforderlich und zweckmäßig, um die in der Präambel formulierten Ziele erreichen zu können. In den sehr unterschiedlichen Gebietskörperschaften vor Ort soll der D-PCGM zur Zielrealisierung von einer Vielzahl sehr verschiedener Zielgruppen mit heterogenen Erfahrungs- und Qualifikationshintergründen im demokratischen Gemeinwesen und sehr unterschiedlichen Informationsbedarfen/ -erwartungen genutzt werden. Hierfür bedarf es einer präzisen Grundlage. Im Zweifelsfall ist es für die Arbeiten vor Ort und die Public Corporate Governance-Entwicklungen besser und einfacher, Regelungen aus dem D-PCGM bei der gemeinschaftlichen Erarbeitung des Public Corporate Governance Kodex der Gebietskörperschaft nicht zu übernehmen, als wichtige Regelungen im D-PCGM gar nicht vor Augen geführt zu bekommen.
  3. Einige Stellungnahmen, Rückmeldungen und Gespräche unterstreichen, dass das comply-orexplain Prinzip noch nicht an allen Stellen vollumfassend mitgedacht wird und hier gemeinsam weiter an einem vollumfassenden Verständnis gearbeitet werden sollte. Vor diesem Hintergrund wurde die Kommunikation zu „comply or explain“ im D-PCGM noch einmal zusätzlich gestärkt. Aufgrund des comply-or-explain Prinzips und der hierdurch vorgesehenen situationsgerechten Entscheidungsfreiheit und Flexibilität ist es sowohl im D-PCGM als auch in den jeweiligen Public Corporate Governance Kodizes in den Gebietskörperschaften sehr gut möglich, Empfehlungen auch für sehr unterschiedliche Unternehmen zu formulieren, die sich z.B. in Bezug auf folgende Faktoren unterscheiden können: Unternehmensgröße, Rechtsform, fakultatives/ gesetzlich vorgeschriebenes Aufsichtsorgan, etc. Das comply-or-explain Prinzip sieht ausdrücklich vor, von Empfehlungen situationsgerecht abweichen zu können (Expertenkommission D-PCGM, 2021). Als stellvertretende Beispiele für andere sind an einigen Empfehlungen zur zusätzlichen Verdeutlichung des comply-or-explain Prinzips Endnoten angefügt, dass in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße und den rechtlichen Rahmenbedingungen besonders reflektiert werden soll, ob eine Befolgung sachgerecht und möglich ist oder ob entsprechend des comply-or-explain Prinzips die Abweichung erklärt und in der Entsprechenserklärung nachvollziehbar begründet wird. Dies kann in kurzer Form mit hohem Alltagsnutzen für die jeweilige Unternehmensführung bzw. -tätigkeit erfolgen.
  4. Eine Abweichung von einer Empfehlung ist nicht als Mangel zu verstehen; sie ist in begründeten Fällen ein Ausdruck guter Public Corporate Governance. Abweichungen müssen in einer Entsprechenserklärung lediglich offengelegt und begründet werden (Expertenkommission D-PCGM, 2021). Comply-or-explain und Entsprechenserklärungen sind explizit keine unnötige Bürokratie. Für verantwortungsvolle Unternehmensführung müssen die im Public Corporate Governance Kodex formulierten Grundsätze auch unabhängig von diesem im Alltag in den jeweiligen Aufgabenbereichen ohnehin reflektiert, diskutiert und entschieden werden. Das Verfassen einer Entsprechenserklärung ist ein Schritt eines ohnehin erforderlichen Prozesses, der, wie auch in anderen Bereichen über Berichtsinstrumente vielfach praktiziert, die Reflexion noch bewusster und präziser machen soll. Sachgerecht erstellt liefert eine Entsprechenserklärung alltagsnützliche Informationen und eine wertvolle Basis für zielorientierte Dialoge zwischen den Beteiligten. Beispielgebende Entsprechenserklärungen mit präzisen Kurzbegründungen zeigen, wie dies in aussagekräftiger, schlanker Form möglich ist. Ein Public Corporate Governance Kodex intendiert explizit keine verstärkte Regelsteuerung, sondern gerade die Aufrechterhaltung von situationsgerechten Entscheidungsspielräumen. Ein vollumfängliches Verständnis für das comply-or-explain Prinzip und eine „gelebte Abweichungskultur“ in begründeten Fällen sowie eine sachgerechte Interpretation und Nutzung von Entsprechenserklärungen ist in der Praxis von hervorstechender Bedeutung. Zu abgegebenen Entsprechenserklärungen zu den jeweiligen Public Corporate Governance Kodizes in den Gebietskörperschaften soll es auch im Kontext der Expertenkommission D-PCGM weitere fundierte Analysen geben und Entsprechenserklärungen mit besonders überzeugenden Abweichungsbegründungen sollen im Sinne verantwortungsvoller Unternehmensführung öffentlichkeitswirksam ausgezeichnet und gelobt werden. Gebietskörperschaften, Unternehmen und alle mit der Public Corporate Governance befassten Akteurinnen und Akteure sind fortlaufend eingeladen, Entsprechenserklärungen bei der Expertenkommission D-PCGM einzureichen.
  5. Der D-PCGM ist nicht als Ersatz für den Public Corporate Governance Kodex einer Gebietskörperschaft vorgesehen, der jeweils vor Ort entwickelt und vom zuständigen politischen Gremium (z.B. Stadtrat, Landtag) verabschiedet wird. Er dient vielmehr als systematisch entwickelte Unterstützung für die Erarbeitung bzw. Überarbeitung eines für die jeweilige Gebietskörperschaft als situationsgerecht empfundenen Public Corporate Governance Kodex. Der D-PCGM verfolgt somit explizit keinen „one size fits all“ Ansatz. Bei der gemeinschaftlichen Erarbeitung von Public Corporate Governance Kodizes vor Ort in den jeweiligen Gebietskörperschaften unabhängig von ihrer Größe und ihrer föderalen Ebene soll der D-PCGM gezielt für Vergleiche und als Diskussionsbasis genutzt werden (Expertenkommission D-PCGM, 2021). In diesem flexiblen Verständnis adressiert der D-PCGM alle Gebietskörperschaften.
  6. Einige Aspekte mit Erläuterungscharakter wurden aus dem D-PCGM in die Endnoten verlagert, um diesen an diesen Stellen zu straffen und die Regelungen zu fokussieren.
  7. Bei der Diskussion in den Gebietskörperschaften vor Ort ist ein Public Corporate Governance Kodex zu unterscheiden von einer sog. Beteiligungsrichtlinie. Er richtet sich insbesondere auch an die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane der Unternehmen und formuliert Grundsätze verantwortungsvoller Public Corporate Governance sowie Wertmaßstäbe. Demgegenüber formuliert eine Beteiligungsrichtlinie administrative Hinweise für die Verwaltung und die von der öffentlichen Hand entsandten/ benannten Vertreter/innen und hat eher den Charakter einer „Behördenanweisung“ mit noch detaillierteren und formalrechtlicher geprägten Regelungen. Ein zentraler Unterschied ist ferner das comply-or-explain Prinzip, welches nur über einen Public Corporate Governance Kodex für alle Adressatengruppen (z.B. auch Geschäftsführungsorgane) vollständig zur Entfaltung gebracht werden kann.
  8. In jeder Gebietskörperschaft ist eine übersichtliche und widerspruchsfreie Konzeption der Public Corporate Governance erforderlich. Eine mögliche Gesamtkonzeption der Public Corporate Governance kann aus einem Dachdokument „Grundsätze guter Unternehmens- und Beteiligungssteuerung“ bestehen. Dieses enthält an erster Stelle einen Public Corporate Governance Kodex. Daran anschließend kann eine Beteiligungsrichtlinie folgen. Dahinter sind als Anlagen u.a. zweckmäßig: Muster zu verschiedenen Verträgen, Satzungen, Geschäftsordnungen für Aufsichts-/ Geschäftsführungsorgane, Quartalsberichten und Instrumenten sowie zu Berufungsrichtlinien, Merkblättern, Erklärung zu Interessenkonflikten, etc. Eine Beteiligungsrichtlinie ist explizit kein Ersatz für einen Public Corporate Governance Kodex (Expertenkommission D-PCGM, 2021). Wie z.B. auch der Deutsche Städtetag betont: „Der Kodex kann durch Beteiligungsrichtlinien ergänzt werden“ (Deutscher Städtetag, 2017, Gute Unternehmenssteuerung. Strategien und Handlungsempfehlungen für die Steuerung städtischer Beteiligungen, S. 14). Das Bundesministerium der Finanzen betont auf seiner Internetseite: „Herzstück ist der Public Corporate Governance Kodex“ und hat die Gesamtkonzeption der Public Corporate Governance mit Public Corporate Governance und Beteiligungsrichtlinie wie auch andere Gebietskörperschaften gestaltet.

Quelle:

Expertenkommission D-PCGM (2021): Deutscher Public Corporate Governance-Musterkodex (D-PCGM), Hrsg. Ulf Papenfuß/Klaus-Michael Ahrend/Kristin Wagner-Krechlok, in der Fassung vom 15. Januar 2021, abrufbar unter: www.pcg-musterkodex.de