BEDARF UND CHANCEN VON
PUBLIC CORPORATE GOVERNANCE KODIZES

Im Zuge der Entwicklung der Public Corporate Governance wird vorherrschend die Auffassung vertreten, dass ein Public Corporate Governance Kodex (PCGK) – eine anforderungsgerechte Ausgestaltung vorausgesetzt – hilfreiche und nützliche Beiträge zur Verbesserung der Public Corporate Governance leisten kann (siehe hierzu Studien). Dies und die eingeführten Public Corporate Governance Kodizes unterstreichen den Nutzen und die Notwendigkeit einer intensiven Auseinandersetzung mit diesem übergreifenden Instrument.

Zitate-Übersicht zu Nutzen und Chancen eines Public Corporate Governance Kodex (kleiner Auszug)

„Zweifelsohne sind die beschriebenen Entwicklungen … hin zu einem PCGK … zu begrüßen.“

Dr. Jens Harms, Ehem. Präsident des Berliner Rechnungshofes, 2008

„Hingegen könnte der hier in seiner Grundstruktur skizzierte Public Corporate Governance Kodex ein Beitrag zur Lösung dieses Problems leisten.“

Prof. Dr. Dr. h.c. Dietrich Budäus | Dr. Isabell Nehmeyer-Srocke, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Public Management | Amtsleiterin der Kämmerei bei der Stadt Köln, 2003

„Was dem Kapitalanleger recht ist, soll dem Steuerzahler billig sein. Wir wollen auch für die öffentlichen Unternehmen Standards für eine gute Unternehmensführung formulieren… Im Ziel sind wir uns alle einig: Wir brauchen einen Public Corporate Governance Kodex.“

Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz a.D., 2008

„Nach drei Jahren Praxiserfahrung mit dem Public Kodex lässt sich sagen: Er hat die mit ihm verbundenen Erwartungen für den Bund weitgehend erfüllt: Es zeigt sich klar, dass das Bewusstsein für ein gute Corporate Governance sowohl bei den Bundesunternehmen selbst als auch bei den Mandatsträgern und den Beteiligungsführern deutlich gestiegen ist. Damit hat der Public Kodex einen wichtigen Zweck erreicht.“

Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, 2012

„Neben übergreifenden Potenzialen würde ein auf einer Internetseite veröffentlichter bundesweiter Musterkodex gemeinsame Vorteile für viele Beteiligte auf verschiedenen Ebenen bringen. Angesichts der derzeitigen Situation wäre dies ein maßgeblicher Entwicklungsbeitrag, weshalb die Bemühungen bis zur Realisierung nicht nachlassen sollten.“

Prof. Dr. Ulf Papenfuß, Professor für Public Management und Public Policy, 2017

„Kodex schafft Grundlage für strategisches Beteiligungsmanagement.“

Dr. Thomas Trousil, Sächsischer Rechnungshof, ehem. Leiter des Referats für Beteiligungen und Querschnittsaufgaben im Thüringer Finanzministerium, 2019

„Wichtiges Instrument der Beteiligungssteuerung/des strategischen Beteiligungsmanagements.“

Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt), 2012

„Freilich stellt die Vielgestaltigkeit öffentlicher Unternehmen den Verfasser eines Verhaltenskodexes vor besondere Herausforderungen….Ein maßgeschneiderter „Hauskodex“ ist allerdings nicht unbedingt die bessere Alternative. Viele Kommunen als Eigentümer wären mit seiner Erstellung überfordert. Überdies wäre die Vergleichbarkeit der Unternehmensverfassungen aus Sicht der Allgemeinheit in Frage gestellt. Das Projekt eines übergreifenden Verhaltenskodexes für öffentliche Unternehmen verdient daher Unterstützung.“

Prof. Dr. Jan Schürnbrand, Professor für Bürgerliches Recht, Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, 2010

„Angesichts der hohen Zahl von Unternehmen im Besitz der öffentlichen Hand und damit einer ungebrochenen Bedeutung der öffentlichen Wirtschaftsfätigkeit gerade auf kommunaler Ebene würde einiges dafürsprechen, dass sich weitere Kodizes in Deutschland etablieren werden. Anzeichen dafür gibt es.“

Ulrich Maas, Vorsitzender Institut für den öffentlichen Sektor e.V., 2019

„Verwaltung und Verwaltungsspitze … sehen in dem Erstellungs- und Diskussionsprozess zur PCG große Chancen, eingeschliffene Handlungsschemata aufzubrechen.“

Prof. Dr. Willi Weiblen, ehemaliger Ministerialdirigent Landesfinanzministerium Baden-Württemberg, 2011

„Implementierung eines PCGK lässt Verbesserungen der strukturellen und prozeduralen Transparenz erwarten.“

Prof. Dr. Ludwig Theuvsen, Professor für Betriebswirtschaftslehre des Agribusiness, 2012

„Angesicht der Vielfalt der Überwachungsaufgaben und der Zusammenarbeit der Aufsichtsgremien in der öffentlichen Wirtschaft sollten Grundsätze ordnungsmäßiger Überwachung öffentlicher Unternehmen formuliert werden.“

Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Empfehlung des wissenschaftlichen Beirats, 1982

„In der Praxis bestanden daher erhebliche Defizite … Diese Lücke können PCGKs füllen.“

Prof. Dr. Gerhard Hammerschmid, Professor für Public und Financial Management, 2010

„Es handelt sich … um sachdienliche, zweckmäßige und daher begrüßenswerte Regelwerke.“

Prof. Dr. Thomas Raiser, Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht sowie Rechtssoziologie (em.), 2010

„Mit dem PCGK des Bundes hat die Bundesregierung einen ersten wichtigen Schritt zur Verbesserung der Transparenz und Effizienz bei öffentlichen Unternehmen getan.“

Prof. Dr. Jan Schürnbrand, Professor für Bürgerliches Recht, Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, 2010

„Abschließend lässt sich festhalten, dass die vorgelegten Beteiligungsgrundsätze des Bundes einen wesentlichen Schritt hinsichtlich der Transparenz des Beteiligungsmanagements darstellen.“

Stephan Gemkow, ehemaliger Vorsitzender des Vorstands der Franz Haniel & Cie. GmbH, 2010

„Festzuhalten ist, dass die Verabschiedung eines Public Corporate Governance Kodex Zustimmung verdient.“

Dr. Margarete Mühl-Jäckel, ehemalige Richterin am Verwaltungsgericht Berlin, 2009

„Der PCGK erscheint grundsätzlich dazu geeignet, sowohl das Vertrauen bei den Bürgern als auch die Effizienz bei den öffentlichen Unternehmen zu erhöhen und ist insoweit positiv zu beurteilen.“

Dr. Marian Ellerich | Dr. Franz Schulte | Prof. Dr. Jens Radde, Wirtschaftsprüfer PKF Fasselt Schlage | Fachanwalt für Steuer-, Handels- und Gesellschaftsrecht | Professor für Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung, 2009

„Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend … einen Governance Kodex als handlungsleitende Maxime zu entwickeln, der sowohl zu einer besseren externen Steuerung und Kontrolle der öffentlichen Unternehmen … als auch zu einer besseren internen Führung dieser Unternehmen beitragen kann.“

Prof. Dr. Manfred Röber, Professor für Public Management (em.), 2008

„Ein Corporate Governance Kodex … kann vor dem Hintergrund der Überlegungen positive Wirkungen hinsichtlich der intendierten Transparenzerhöhung oder Rechenschaftslegung generieren.“

Prof Dr. Thomas Lenk | Dr. Oliver Rottmann, Professor für Finanzwissenschaft | Geschäftsführender Vorstand des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e.V., 2008

„Ein solches Regelwerk könnte als vertrauensbildende Maßnahme bei den Betroffenen wirken und der Effizienzsteigerung in der öffentlichen Wirtschaft dienen.“

Prof. Dr. Peter Eichhorn, Präsident der SRH Hochschule Berlin, 2008

„Nahezu alle Rechnungshöfe schätzen die Chancen einer PCG für die Effizienzsteigerung und die verbesserte Kommunikation und Transparenz bei öffentlichen Unternehmen als gut ein.“

Dr. Mike Dietrich | Prof. Dr. Jochen Struwe, Dipl.-Wirtschaftsingenieur | Professor für Unternehmensführung, Rechnungswesen und Controlling, 2006

„Kodex könnte Vertrauen des Bürgers steigern und Interesse des Eigentümers schützen.“

Paul Rieckmann, Gründer des Arbeitskreises Interne Revision in öffentlichen Institutionen des Deutschen Instituts für Interne Revision e.V., 2008

„Richtig angewandt, kann ein Kodex wertvolle Hilfe in der Beteiligungsführung und -steuerung sein.“

Rudolf X. Ruter | Markus Häfele, Leiter des Arbeitskreises Nachhaltige Unternehmensführung der Schmalenbach-Gesellschaft |Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, 2007

„So müssten sowohl die Legitimationskrise der Politik wie die Finanzmisere der öffentlichen Hand (und ihrer Unternehmen) Anreize genug sein, mit Hilfe eines PCGK die Unternehmensführung bei öffentlichen Unternehmen zu verbessern.“

Dr. Mike Dietrich | Prof. Dr. Jochen Struwe, Dipl.-Wirtschaftsingenieur | Professor für Unternehmensführung, Rechnungswesen und Controlling, 2006

„Ich kann mir vorstellen, dass die Einführung eines Corporate Governance Kodex eine Chance darstellt, die Steuerung öffentlicher Unternehmen zu verbessern … Als Fazit ist festzuhalten, dass der Versuch mittels Einführung eines PCGK das Bewusstsein und möglicherweise das Verhalten … zu ändern durchaus lohnen würde.“

Ralf Seibicke, ehemaliger Präsident des Landesrechnungshofes Sachsen-Anhalt, 2005

„Trotzdem spricht die derzeitige Situation für einen Kodex, weil eine zusätzliche Regulierung durch Gesetze die Steuerungsdefizite im öffentlichen Sektor offensichtlich nicht beseitigen kann.“

Dr. Isabell Srocke, Amtsleiterin der Kämmerei bei der Stadt Köln, 2005

„Mit Blick auf die Finanzsituation der Kommunen ist ein effizienteres Handeln der öffentlichen Unternehmen … unabdingbar. Ein PCGK kann dazu beitragen.“

Dr. Mike Dietrich | Prof. Dr. Jochen Struwe, Dipl.-Wirtschaftsingenieur | Professor für Unternehmensführung, Rechnungswesen und Controlling, 2005

„Nicht ohne Grund ist deshalb die Ausformulierung von Grundsätzen ordnungsgemäßer Überwachung öffentlicher Unternehmen gefordert worden.“

Prof. Dr. Helmut Siekmann, Professor für Geld-, Währungs- und Notenbankrecht, 1996

„In der Diskussion wird vorherrschend die Auffassung vertreten, dass ein PCGK – eine anforderungsgerechte Ausgestaltung vorausgesetzt – nützliche Beiträge für die PCG leisten kann. Ein aufgeschlossenes wie fundiertes Verständnis für die Philosophie von „comply or explain“ und eine konstruktive Abweichungskultur ist in der Praxis von hervorstechender Bedeutung, um die mit einem PCGK verbundenen Potenziale systematisch auszuschöpfen.“

Prof. Dr. Ulf Papenfuß, Professor für Public Management und Public Policy, 2013

In der Debatte über nachhaltige Daseinsvorsorge, digitale Transformation, demographischen Wandel, Klimaschutzziele, die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen/Sustainable Development Goals (SDGs), die Zukunft des demokratischen Gemeinwesens sowie die Staats- und Verwaltungsmodernisierung kann eine anforderungsgerechte Ausgestaltung der Public Corporate Governance Weiterentwicklungsbestrebungen vielfach unterstützen. Public Corporate Governance befasst sich mit dem Ordnungsrahmen sowie der praktizierten Steuerung von Organisationen der öffentlichen Hand mit selbständiger Wirtschaftsführung wie z.B. öffentlichen Unternehmen und schließt die Themen Beteiligungssteuerung und Beteiligungsmanagement ein.

Funktionsweise eines Public Corporate Governance Kodex

Ein Public Corporate Governance Kodex ist eine Zusammenstellung von Grundsätzen zur verantwortungsvollen Steuerung, Leitung und Überwachung von und in öffentlichen Unternehmen, die sich einschlägig bewährt haben. Von den Empfehlungen (Soll-Regelungen) eines Public Corporate Governance Kodex können die Unternehmen situationsgerecht abweichen, sind dann aber verpflichtet, dies jährlich in einer sogenannten Entsprechenserklärung zu begründen und die stattdessen gewählte Lösung nachvollziehbar zu erläutern. Dieser verbindliche Mechanismus von „comply or explain“ ist, gerade aufgrund der besonderen Verantwortung in der öffentlichen Wirtschaft, zentral und ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zu anderen Konzepten.

Börsennotierte Unternehmen sind nach § 161 Aktiengesetz (AktG) verpflichtet, jährlich eine Entsprechenserklärung abzugeben und auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen. Für öffentliche Unternehmen liegt eine derartige gesetzliche Pflicht nicht vor. Auch diese wäre aber problemlos realisierbar.
Wichtig in der Diskussion um Potenziale eines Public Corporate Governance Kodex ist immer wieder zu betonen, dass die Abgabe und Veröffentlichung einer Entsprechenserklärung in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag des jeweiligen Unternehmens präzise und verbindlich vorgeschrieben werden sollte. Dies ist aus theoretischer und praxisorientierter Sicht erforderlich und wird in der Praxis auch zunehmend realisiert (zum Beispiel Bund Ziff. 1.4, Land Baden-Württemberg Ziff. IV.15; Land Nordrhein-Westfalen Ziff. 1.4.2; Mannheim Präambel, Bund Österreich Ziff. 6.2).

Beispielsweise ist beim Bund in Deutschland in § 16 Abs. 1 seines Mustergesellschaftsvertrags in der Anlage zu den „Grundsätzen guter Unternehmens- und Beteiligungsführung im Bereich des Bundes“ vom 30. Juni 2009 formuliert: „Die Geschäftsführung und der Aufsichtsrat erklären jährlich, dass den Empfehlungen des Public Corporate Governance Kodex des Bundes in der jeweils geltenden Fassung entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden und warum nicht. Die Erklärung ist dauerhaft öffentlich zugänglich zu machen und als Teil des Corporate Governance Berichts zu veröffentlichen.“

Zentral ist die Pflicht zu einer Abweichungsbegründung, die der Bund durch die Formulierung „warum nicht“ realisiert sowie die Zukunfts- und Vergangenheitsorientierung durch die Formulierung „wurden und werden“. Alternativ oder ergänzend zur Verankerung in der Satzung kann kurzfristig und aufwandsarm ein protokollierter und veröffentlichter Beschluss durch die Gesellschafterversammlung mit entsprechender Bindungskraft erfolgen.
Ergänzend kann die Entsprechenserklärung bzw. ein Public Corporate Governance Kodex in den Geschäftsordnungen für den Aufsichtsrat und die Geschäftsführung verankert werden. Bei der Befolgung einzelner Empfehlungen besteht Flexibilität, aber die Abgabe und Veröffentlichung einer Entsprechenserklärung mit Begründungen ist klar verbindlich. Ein Verstoß gegen die Satzung hat die aus anderen Feldern bekannten Konsequenzen. Auch die Rechnungshöfe sind aufgefordert, Entsprechenserklärungen und Verstöße gegen die Anforderungen von Entsprechenserklärungen zu prüfen. Sofern ein Menschenbild zu Grunde gelegt wird, das harte Sanktionselemente als wichtig ansieht, wären über die Anstellungsverträge und Zielvereinbarungen auch weitere Verknüpfungen integrierbar.

Häufig wird über Public Corporate Governance Kodizes abstrakt, ohne konkreten Blick auf Regelungsformulierungen diskutiert, die jedoch bei allen Diskussionen vor Augen und einbezogen sein müssen. Zum Beispiel kann ein Public Corporate Governance Kodex empfehlen: „Die Interne Revision soll unmittelbar der Geschäftsführung unterstellt sein. Die Aufträge sollen schriftlich erteilt werden.“ Demnach müssen Aufsichtsrat und Geschäftsführung nach der Konzeption einmal im Jahr eine Entsprechenserklärung erstellen, ob diesem Grundsatz entsprochen wurde und wird oder aus welchen Gründen eine Alternativlösung gewählt wurde, dies persönlich unterschreiben und auf der Internetseite des Unternehmens veröffentlichen.

Der große Regulierungsvorteil eines Public Corporate Governance Kodex besteht darin, dass ein Abweichen von Kodexempfehlungen entsprechend der spezifischen Unternehmenssituation möglich ist und begründet sein kann. In einer Entsprechenserklärung wäre zum Beispiel in zwei Sätzen zu verfassen, warum die interne Revision ggfs. nicht an der Unternehmensspitze institutionalisiert ist oder wer diese Aufgabe aufgrund der Unternehmensgröße statt einer eigenen Stelle übernimmt.
Die übersichtliche und auf der Webseite einfach auffindbare veröffentlichte Entsprechenserklärung können unter anderem Gesellschafter, Aufsichtsräte, Politik, interessierte Bürger, Abschlussprüfer, Rechnungshöfe, Kunden und Kapitalgeber nutzen. Angesichts der besonderen Verantwortung öffentlicher Unternehmen ist es angemessen zu verlangen, dass Aufsichtsräte und Geschäftsführungen die Formulierung der Entsprechenserklärung einmal im Jahr zur systematischen Reflexion nutzen und in Kurzform zu den Empfehlungen des Public Corporate Governance Kodex Stellung nehmen. Dies ist explizit keine Bürokratie, sondern ist, wie beispielgebende Entsprechenserklärungen mit präzisen Kurzbegründungen zeigen, in aussagekräftiger, schlanker Form möglich. Richtig erstellt und sachgerecht genutzt liefern Entsprechenserklärungen alltagsnützliche Informationen und eine wertvolle Basis für zielorientierte Dialoge zwischen den Beteiligten.

Public Corporate Governance Kodizes können somit deutlich präzisere und weiterreichende Anforderungen für die Leitung und Überwachung verfassen, die aufgrund der Inflexibilität von Gesetzen nicht formulierbar sind. Gesetze können typischerweise nur Durchschnittfälle regeln, wobei in der Praxis sehr häufig Sachverhalte jenseits von Durchschnittsfällen anzutreffen sind. Daher müssen Gesetze zwangsläufig Regelungslücken belassen, die ein Public Corporate Governance Kodex gezielt füllen kann. Public Corporate Governance Kodizes reglementieren die Unternehmen weniger stark als Gesetze und belassen ihnen Wahloptionen sowie Gestaltungsspielräume für unternehmensindividuell sachgerechte Lösungswege. Angesichts der vorgesehenen Abweichungskultur ist es gerade aufgrund der besonderen Anforderungen in der öffentlichen Wirtschaft in wichtigen Feldern möglich, Grundsätze verantwortungsvoller Leitung und Überwachung im Zweifelsfall eher strikter als lockerer zu formulieren. Ein Public Corporate Governance Kodex ist keine Verschärfung des Gesellschaftsrechts und keine Einschränkung des zu Recht gestärkten unternehmerischen Gestaltungsspielraums zugunsten einer Regelsteuerung, da er die organisatorische und inhaltliche Entscheidungsfreiheit in vollem Umfang erhält. Analog lässt sich der skizzierte Ablauf von „comply or explain“ mit Stellungnahme, Abweichungsbegründung und systematischen Reflexionserfordernissen für alle Empfehlungen durchdenken.

Wichtig ist – wie auch in den Public Corporate Governance Kodizes häufig erklärt – hervorzuheben, dass eine Abweichung von einer Empfehlung nicht als „Mangel“ zu verstehen ist. Die Entscheidung, Empfehlungen nicht zu entsprechen, kann durchaus begründet und ein Ausdruck guter Public Corporate Governance sein – sie muss lediglich transparent gemacht werden. Ein aufgeschlossenes wie fundiertes Verständnis für die Philosophie und das gemeinsame Potenzial von „comply or explain“ ist von hervorstechender Bedeutung, um die mit einem Public Corporate Governance Kodex verbundenen Potenziale systematisch auszuschöpfen.

Steuerungserhebliche Zusatzbeiträge und Unterstützung im Arbeitsalltag

In Praxis und Wissenschaft wird vorherrschend die Auffassung vertreten, dass ein Public Corporate Governance Kodex bei entsprechender Ausgestaltung sehr wertvolle Beiträge zur Verbesserung und Weiterentwicklung der Public Corporate Governance in den jeweiligen Gebietskörperschaften liefern kann (siehe Studien). Für ein tieferes Verständnis über das breite Spektrum der Steuerungsunterstützung lassen sich die Potenziale eines Public Corporate Governance Kodex in folgende Funktionen kategorisieren:

  • Erklärungsfunktion bzw. Kommunikationsfunktion:

    Ein Public Corporate Governance Kodex liefert für alle beteiligten Akteure eine erklärende Übersicht zu allen besonders wichtigen gesetzlichen und nicht gesetzlichen Bestimmungen unter anderem durch Nennung der einschlägigen Paragraphen. Dieses kann die Kenntnisse über Rechte, Pflichten, Zuständigkeiten und Abläufe verbessern und zu einem besseren Gesamtverständnis für das von sehr vielen Bestimmungen geprägte Public Corporate Governance-System beitragen.

  • Ergänzungsfunktion bzw. Ordnungsfunktion:

    Eine Ergänzungsfunktion erfüllt der Public Corporate Governance Kodex, indem er regelmäßig auftretende Governancefragen, Unklarheiten oder Lücken mit über das Gesetz hinausgehenden Empfehlungen gezielt adressiert und damit unterstützende Hinweise gibt. Empfehlungen formulieren gesetzesergänzende Regelungen zur Nutzung verschiedener durch das Gesetz offenbleibender Handlungsräume. Konkretisierende Regelungen liefern eine Ergänzung zu gesetzlichen Bestimmungen. Zuvor ungeschriebene Regeln können transparent gemacht, Maßstäbe pflichtgemäßer Unternehmensleitung/-überwachung ausdifferenziert und Hilfestellung für die Gestaltung der Corporate Governance gegeben werden.

  • Verhaltenssteuerungsfunktion:

    In der Literatur zur Public Corporate Governance wird eine Verhaltenssteuerungsfunktion genannt, nach der die Regelungsinhalte des Public Corporate Governance Kodex die Beteiligten zu angestrebten Handlungen anleiten sollen.

  • Bewusstseinsbildungsfunktion:

    Es wird einschlägig und wiederkehrend betont, dass die Diskussion um die Erstellung und Inhalte eines Public Corporate Governance Kodex schon an sich einen äußerst lohnenden Prozess darstellt, der Grundsätze verantwortungsvoller Unternehmensführung/-überwachung bewusster werden lässt und so die Basis für systematische Weiterentwicklungen bildet. Es gibt kaum bessere Möglichkeiten, im Dialog eine klare Vorstellung über eine verantwortungsvolle Public Corporate Governance zu entwickeln. Der Public Corporate Governance Kodex fördert den Bewusstseinswandel bzw. schärft das Bewusstsein für die mit dem Amt bzw. der Aufgabe verbundenen Anforderungen und Verhaltensnotwendigkeiten. Charakteristisch sind einschlägige Aussagen wie vom ehemaligen Vorsitzenden der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex für börsennotierte Unternehmen, Klaus Peter Müller: „Zudem gibt der Kodex Empfehlungen und Hinweise, die Debatten und Veränderungen auslösen. Allein das ist schon ein Wert an sich.“

  • Verzahnungsfunktion:

    Bei adäquater inhaltlicher Ausgestaltung können die Regelungskreise öffentliches Recht und Privatrecht bzw. die öffentlich-rechtliche und die gesellschaftsrechtliche Governance verzahnend zusammengeführt und geordnet sowie bestehende Spannungsfelder durch klärende Hinweise austariert werden. Eine zentrale Aufgabe eines Public Corporate Governance Kodex wird darin gesehen, zur Ausbalancierung zwischen der demokratiegeprägten Kommunalverfassung und der jeweiligen Unternehmensverfassung beizutragen.

  • Vollzugsfunktion:

    Durch die prägnante Zusammenfassung von zentralen und/oder wiederholt nicht eingehaltenen gesetzlichen Regelungen bzw. durch Kurzverweise auf diese, kann ein Public Corporate Governance Kodex zu einem besseren Vollzug von relevanten gesetzlichen und nicht gesetzlichen Bestimmungen beitragen.

  • Reflexionsfunktion:

    Durch die Verpflichtung zu Entsprechenserklärungen und die Auswertungen im Rahmen des Beteiligungsmanagements wird das Handeln kontinuierlich in bewusster und systematischer Weise reflektiert und nicht nur wie bei der Erstellung/Überarbeitung des Public Corporate Governance Kodex im Sinne der Bewusstseinsbildungsfunktion. Die einmal im Jahr zu signierende Entsprechenserklärung ist ein verbindlicher Anlass zu einer gezielteren Auseinandersetzung mit Grundsätzen verantwortungsvoller Unternehmensleitung/-überwachung. Entsprechenserklärungen sind eine Form der institutionalisierten Selbststeuerung und können dazu beitragen, verantwortungsvolle Public Corporate Governance besser „zu leben“.

  • Lern- und Weiterentwicklungsfunktion:

    Entsprechenserklärungen und insbesondere begründete Abweichungen vom Public Corporate Governance Kodex bieten zusätzliche Chancen, die Corporate Governance gemeinsam weiterzuentwickeln. Hinsichtlich der Lernperspektive von Accountability bzw. Rechenschaftslegung können Entsprechenserklärungen entscheidende Impulse liefern, Good Practices hervortreten lassen und „Lernen“ ermöglichen. Die Anwendung von „comply or explain“ liefert unter anderem für das Beteiligungsmanagement und den Gesetzgeber eine Rückkoppelung, wie mit den Bestimmungen zur Public Corporate Governance faktisch verfahren wird. Auf Basis dieses Feedbacks können wesentlich fundiertere Diskurse über die Notwendigkeit einzelner Bestimmungen und über Ansatzpunkte zur gemeinsamen Weiterentwicklung der Public Corporate Governance geführt werden.

  • Transparenzfunktion:

    Durch Benennung von Zuständigkeiten, Rechten, Pflichten und Abläufen sowie die kompakte Zusammenstellung von Grundsätzen verantwortungsvoller Unternehmensleitung/-überwachung leistet ein Public Corporate Governance Kodex einen gezielten Beitrag für mehr Transparenz. Gerade „comply or explain“ und Entsprechenserklärungen liefern erhebliche Transparenzgewinne.

  • Einarbeitungsfunktion:

    Ein Public Corporate Governance Kodex ist mit Blick auf die beständigen Wechsel gerade bei der Einarbeitung neuer Aufsichtsratsmitglieder von Nutzen. Besonders bei kurzfristigen Einarbeitungen kann der kompakte und verständliche Gesamtüberblick im Alltag sehr helfen. Das Aufsichtsratsmitglied wird schnell über wesentliche Rechte, Pflichten und Abläufe informiert, was viel Abstimmungsaufwand erspart und Übergangsphasen erleichtert. Weiter wird die Einarbeitung von politischen Mandatsträgern im sog. Beteiligungsausschuss o.ä. des jeweiligen politischen Organs (zum Beispiel Stadtrat) unterstützt.

  • Zukunftsgerichtete Informations- und Steuerungsfunktion:

    Durch auch in die Zukunft gerichtete Entsprechenserklärungen generiert ein Public Corporate Governance Kodex wertvolle ergänzende Steuerungsinformationen, um auch zukunftsorientiert den steuernden Austausch zu ermöglichen. Ein adäquat ausgestalteter Wirkungsmechanismus „comply or explain“ liefert in Ergänzung zu den überwiegend quantitativen Informationen, zum Beispiel aus Jahresabschlüssen oder Quartalsberichten, zusätzliche qualitative Steuerungsinformationen über die beabsichtigten Governancegepflogenheiten.

  • Gesetzheranführungsfunktion:

    Ein Public Corporate Governance Kodex kann nicht direkt für öffentliche Unternehmen greifende, aber wichtig erscheinende gesetzliche Neuerungen aufnehmen. In diesem Sinne kann er die Public Corporate Governance an neue Gesetze oder sich entwickelnde Standards aus der Privatwirtschaft heranführen und ermöglicht durch „comply or explain“ auch hier die situationsgerechte Befolgung oder Abweichung.

  • Steuerungsverständnisfunktion:

    Ein Public Corporate Governance Kodex kann die grundsätzliche Steuerungsphilosophie der Gebietskörperschaft veranschaulichen und so dazu beitragen, einen sachgerechten Mittelweg zwischen einem partnerschaftlichen und einem weisungs- und kontrollorientierten Verständnis zu entwickeln. Vermittelbar ist weiter, dass ein Public Corporate Governance Kodex durch die Flexibilität kein bürokratischer, regel- und verfahrenssteuernder Ansatz ist, sondern die mit Ausgliederungen angestrebte Entscheidungsfreiheit erhält bzw. sogar stärkt. Klare Spielregeln können helfen, Konflikte zu verhindern. Ein Public Corporate Governance Kodex ermöglicht ein partnerschaftliches Miteinander, legt Kontrollmechanismen verständlich und verbindlich fest und beugt Missverständnissen vor.

  • Standardisierungsfunktion bzw. Formalisierungsfunktion:

    Ein Public Corporate Governance Kodex leistet eine angemessene Formalisierung von Steuerungsbeziehungen. Will die Public Corporate Governance nicht von zufälligen Einflussfaktoren wie Einzelengagement und „Beziehungschemie“ der handelnden Akteure abhängen, ist hinreichende Standardisierung zwingend erforderlich.

  • Sanktionsunterstützungsfunktion:

    Mit Blick auf vorherrschend als wichtig angesehene Sanktionsmechanismen erhalten verschiedene Akteure bei adäquaten Entsprechenserklärungen eine zusätzliche Basis, die Governancepraktiken zu beurteilen und bei Bedarf zu sanktionieren.

Beteiligungsrichtlinien sind vor Ort kein Ersatz für Public Corporate Governance Kodizes

Bei der Diskussion in den Gebietskörperschaften vor Ort ist ein Public Corporate Governance Kodex zu unterscheiden von einer sog. Beteiligungsrichtlinie. Er richtet sich insbesondere auch an die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane der Unternehmen und formuliert Grundsätze verantwortungsvoller Public Corporate Governance sowie Wertmaßstäbe. Demgegenüber formuliert eine Beteiligungsrichtlinie administrative Hinweise für die Verwaltung und die von der öffentlichen Hand entsandten/ benannten Vertreter/-innen und hat eher den Charakter einer „Behördenanweisung“ mit noch detaillierteren und formalrechtlicher geprägten Regelungen. Ein zentraler Unterschied ist ferner das comply-or-explain Prinzip, welches nur über einen Public Corporate Governance Kodex für alle Adressatengruppen (z.B. auch Geschäftsführungsorgane) vollständig zur Entfaltung gebracht werden kann.

In jeder Gebietskörperschaft ist eine übersichtliche und widerspruchsfreie Konzeption der Public Corporate Governance erforderlich. Eine mögliche Gesamtkonzeption der Public Corporate Governance kann aus einem Dachdokument „Grundsätze guter Unternehmens- und Beteiligungssteuerung“ bestehen. Dieses enthält an erster Stelle einen Public Corporate Governance Kodex. Daran anschließend kann eine Beteiligungsrichtlinie folgen. Dahinter sind als Anlagen u.a. zweckmäßig: Muster zu verschiedenen Verträgen, Satzungen, Geschäftsordnungen für Aufsichts-/ Geschäftsführungsorgane, Quartalsberichten und Instrumenten sowie zu Berufungsrichtlinien, Merkblättern, Erklärung zu Interessenkonflikten, etc. Eine Beteiligungsrichtlinie ist explizit kein Ersatz für einen Public Corporate Governance Kodex (Expertenkommission D-PCGM, 2021). Wie z.B. auch der Deutsche Städtetag betont: „Der Kodex kann durch Beteiligungsrichtlinien ergänzt werden“ (Deutscher Städtetag, 2017, Gute Unternehmenssteuerung. Strategien und Handlungsempfehlungen für die Steuerung städtischer Beteiligungen, S. 14). Das Bundesministerium der Finanzen betont auf seiner Internetseite: „Herzstück ist der Public Corporate Governance Kodex“ und hat die Gesamtkonzeption der Public Corporate Governance mit Public Corporate Governance und Beteiligungsrichtlinie wie auch andere Gebietskörperschaften wie hier veranschaulicht gestaltet (https://www.bundesfinanzministerium.de, Abruf 18.09.2020).