BEDARF UND CHANCEN DES
DEUTSCHEN PUBLIC CORPORATE GOVERNANCE-MUSTERKODEX

Trotz vergleichbarer Corporate Governance Erforderlichkeiten hat sich in Deutschland eine eine Vielzahl von Public Corporate Governance Kodizes (PCGKs) mit gravierenden Unterschieden entwickelt. Dies wird den Anforderungen und gesteckten Zielen nicht gerecht (siehe Vergleich). Zahlreiche Akteurinnen und Akteure haben die Uneinheitlichkeit der Public Corporate Governance Kodizes und das Auseinanderdriften von Grundsätzen verantwortungsvoller Unternehmensleitung/-überwachung kritisiert und die Entwicklung des Deutschen Public Corporate Governance-Musterkodex (D-PCGM) empfohlen (siehe Forderungen).

Vergleich von Public Corporate Governance Kodizes

Eine vergleichende Analyse von Public Corporate Governance Kodizes lässt wichtige Unterschiede und erhebliche praxisrelevante Defizite bei der Umsetzung offenkundig werden. Bei allen Public Corporate Governance Kodizes offenbaren sich Stärken und Schwächen. Bilanzierend sind folgende Aspekte festzustellen:

  • In vielen Public Corporate Governance Kodizes werden einige von Praxis und Wissenschaft als bedeutsam herausgestellte Problemfelder und Governancefaktoren bzw. relevante Vollzugs- und Regelungsdefizite nicht mit Regelungen angesprochen.

  • Eine vergleichende Gegenüberstellung der Kodexregelungen offenbart, dass diese teilweise substanziell von einschlägigen Anforderungen und anerkannten Grundsätzen verantwortungsvoller Unternehmensleitung/-überwachung abweichen. Ebenfalls entsprechen sie den von der Politik formulierten Zielsetzungen in wichtigen Bereichen noch nicht hinreichend.

  • Die Regelungen zu einzelnen Governancefaktoren sind in vielen Public Corporate Governance Kodizes nicht durchgehend anforderungsgerecht formuliert. In wiederholten Fällen entsprechen die Formulierungen nicht den Kriterien von größtmöglicher Transparenz sowie klaren Verantwortlichkeiten.

  • Public Corporate Governance Kodizes bringen Grundsätze verantwortungsvoller Unternehmensleitung/-überwachung zum Ausdruck. Jedoch zeigen sich trotz grundlegend identischer Anforderungen im Vergleich der Gebietskörperschaften bemerkenswerte Unterschiede in zentralen Bereichen etwa hinsichtlich der Frage, was als verantwortungsvoll und transparent erachtet wird.

  • Die Summe von Empfehlungen schwankt ganz erheblich, ebenso das Zahlenverhältnis von Empfehlungen.

  • Einige von Praxis und Wissenschaft als besonders relevant eingestufte Governancefaktoren werden in einigen Public Corporate Governance Kodizes häufiger nur über eine Anregung normiert, wodurch nach derzeitiger Konzeption im Gegensatz zur Regelung über eine Empfehlung keine Abweichungserklärung und somit keine Transparenz eingefordert wird. Gerade hier werden die Weiterentwicklungspotenziale eines Public Corporate Governance Kodex noch nicht ausgeschöpft.

  • Die Ausgestaltung und der Veröffentlichungsort von Entsprechenserklärungen als dem zentralen Kodexelement genügen den Anforderungen in einigen Public Corporate Governance Kodizes – im auffälligen Gegensatz zu anderen – eindeutig noch nicht. Insgesamt müssen die Anforderungen an die Public Corporate Governance Berichterstattung hinsichtlich Klarheit und Transparenz weiter verbessert werden.

  • Die gesellschaftsrechtliche Verankerung ist in einigen Public Corporate Governance Kodizes ansprechend geregelt; in vielen anderen muss sie orientiert an den Anforderungen und im Vergleich verbessert und klarer zum Ausdruck gebracht werden.

  • Relevante öffentlich-rechtliche Bestimmungen wie zum Beispiel die §§ 53, 54, 55 HGrG, die §§ 65, 67, 92, 104 BHO/LHO sowie zentrale Paragrafen der Gemeindeordnungen sind in einigen Public Corporate Governance Kodizes aufgenommen. In anderen sind sie noch vernachlässigt und sollten über Kurzverweise stärker angesprochen werden. Dies würde die Kommunikationsfunktion der Public Corporate Governance Kodizes zusätzlich stärken, den Gesetzescharakter einiger Bestimmungen verdeutlichen und insgesamt einen noch besseren Gesamtüberblick über das komplexe Public Corporate Governance System bieten.

  • Auffällige Defizite und Gestaltungsunterschiede zeigen sich im Vergleich weiterhin unter anderem in folgenden Regelungsfeldern: Verantwortlichkeiten und Ablauf bei der Entwicklung von Unternehmensstrategien und Zielen, Einbindung von politischen Gremien in die Public Corporate Governance, Aus-, Fort- und Weiterbildung von Aufsichtsratsmitgliedern, Bildung von Prüfungsausschüssen im Aufsichtsrat, Effizienzprüfung und (Selbst-)Evaluation beim Aufsichtsrat, Berichtsinhalte der Geschäftsführung an den Aufsichtsrat, Diversity und Teilhabe von Frauen, Ausgestaltung von Directors-and-Officers-Versicherungen (D&O), Vermeidung und Offenlegung von Interessenkonflikten, Veranschaulichung der Vergütungskriterien für Geschäftsführung und Aufsichtsrat, interne Revision, Unabhängigkeit des Abschlussprüfers sowie bei der Bereitstellung von relevanten Corporate Governance Informationen auf der Internetseite des Unternehmens.

Weiterhin ist die vorgesehene regelmäßige Evaluation und Anpassung des Public Corporate Governance Kodex in jeder einzelnen Gebietskörperschaft separat mit dem vorhandenen Personal vielfach nicht wirksam und wirtschaftlich zu leisten.

Forderungen

Zahlreiche Akteurinnen und Akteure, haben mit deutlichen Formulierungen die Uneinheitlichkeit der Public Corporate Governance Kodizes und das Auseinanderdriften von Grundsätzen verantwortungsvoller Unternehmensleitung und -überwachung kritisiert und die Entwicklung des D-PCGM empfohlen (siehe Startseite dieser Homepage und Studien).
In der Diskussion wurde bei genauer Betrachtung schnell ersichtlich, dass ein spezifisch auf die Rahmenbedingungen öffentlicher Unternehmen zugeschnittener Public Corporate Governance Kodex zwingend erforderlich und eine ausschließliche Übertragung des Deutschen Corporate Governance Kodex der Regierungskommission für börsennotierte Unternehmen nicht sachdienlich ist. So ist u.a. das Feld „Gesellschafter“ mit den politischen Organen und dem Organisationselement Beteiligungsmanagement komplett anders zu gestalten als im Feld für börsennotierte Unternehmen und zahlreiche Aspekte von demokratischer Legitimation in Governance– und Steuerungs-prozessen müssen berücksichtigt werden. Auch in zahlreichen anderen Feldern sind aufgrund des konstitutiven öffentlichen Zwecks und der Ausrichtung der Unternehmen am öffentlichen Auftrag spezifische situationsgerechte Regelungen erforderlich.

Grundsachverhalte

Grundsätze verantwortungsvoller Public Corporate Governance sind sektorneutral und aufgrund der Anforderungen auch im Vergleich von Gebietskörperschaften insoweit identisch. Im Grundsatz ist es mit konkretem Blick auf die in Public Corporate Governance Kodizes formulierten Empfehlungen zunächst unerheblich, in welcher Branche ein öffentliches Unternehmen tätig ist, ob es gewinnbringend oder verlustträchtig arbeitet oder im Wettbewerb oder als Monopolist agiert. Ebenso sind die Grundsätze verantwortungsvoller Public Corporate Governance für Unternehmen von Schleswig-Holstein bis Bayern und von Nordrhein-Westfalen bis Sachsen identisch. In den Regelungsfeldern Aufsichtsrat, Geschäftsführung, Zusammenwirken von Aufsichtsrat und Geschäftsführung, Rechnungslegung, Abschlussprüfung, Berichtswesen, Bereitstellung von Informationen auf der Unternehmenshomepage/Transparenz, interne Revision usw. gibt es auf dem Niveau von Grundsätzen verantwortungsvoller Public Corporate Governance keine gegen den D-PCGM sprechende Unterschiede. Lediglich im Bereich des Gesellschafters gibt es Verschiedenheiten, wobei auch hier die gleichen Grundsätze gelten und die übrigen Inhalte in diesem Regelungsfeld von den Bezeichnungen von Stellen/Organen, Zuständigkeiten und Abläufen situationsgerecht angepasst werden können.

Daher wäre es nach wie vor vorteilhaft und trotz der schon vielen etablierten unterschiedlichen Public Corporate Governance Kodex realisierbar, bei der Ersterstellung eines Public Corporate Governance Kodex oder der Überarbeitung eines bereits etablierten Public Corporate Governance Kodex an dem D-PCGM anzusetzen. Die vor Ort wichtigen Austauschprozesse zu Inhalten eines Public Corporate Governance Kodex – als an sich schon lohnender Prozess (Bewusstseinsbildungsfunktion) – ist ebenso und besser möglich, wenn der vorliegende D-PCGM in Bezug auf vor Ort sinnvolle Anpassungen diskutiert wird.

Bedeutend ist, sich beobachtbare Verläufe in vielen Gebietskörperschaften immer wieder konkret vor Augen zu führen, die hier nur vereinfachend veranschaulicht werden können: Häufig müssen einzelne Mitarbeiter/innen einen Public Corporate Governance Kodex aus- und überarbeiten und tauschen hierfür mehr oder weniger systematisch einzelne Public Corporate Governance Kodex über bekannte Kolleg/innen und/oder Nachbarstädte usw. aus. Die als Orientierungspunkte gewählten Public Corporate Governance Kodizes besitzen dabei im Vergleich zu Public Corporate Governance Kodex aus anderen Städten häufiger nicht die höchste Qualität und den aktuellsten Stand. Auf dieser Grundlage werden in meist aufwendiger Form Synopsen erstellt und ein Public Corporate Governance Kodex als Vorschlag für das verantwortliche politische Organ ausgearbeitet.
Besonders groß sind die Schwierigkeiten auch bei der regelmäßig erforderlichen Evaluation und Überarbeitung eines Public Corporate Governance Kodex. Hierzu finden sich in den Public Corporate Governance Kodex häufig Regelungen in ähnlicher Form wie den zwei folgenden Varianten:

„Der Public Corporate Governance Kodex wird in der Regel einmal jährlich vor dem Hintergrund der Entwicklungen auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene sowie des Deutschen Corporate Governance Kodex überprüft und bei Bedarf angepasst.“

„Die Public Corporate Governance wird regelmäßig im Hinblick auf neue Entwicklungen überprüft und bei Bedarf angepasst.“

Zur Erfüllung der Anforderungen, die teilweise auch in den Public Corporate Governance Kodizes selbst verfasst sind, müsste in jeder einzelnen Gebietskörperschaft umfassend analysiert werden, welche Entwicklungen in der Corporate Governance ggf. Überarbeitungen des Kodex´ erfordern bzw. neue Chancen bieten. Wirksam und wirtschaftlich wird dies in den allermeisten Fällen nicht zu leisten sein. So kann beim Kodex für börsennotierte Unternehmen der Regierungskommission Corporate Governance zu den geplanten Änderungen, die vorab veröffentlicht werden, im Rahmen eines Konsultationsverfahrens beispielgebend Stellung genommen werden.

Notwendig und hilfreich ist es, den D-PCGM einmal im Jahr fundiert und transparent zu evaluieren. Die in den D-PCGM eingearbeiteten Änderungen könnten dann wiederum die Basis für Evaluierungen und situationsgerechte Anpassungen in einzelnen Städten und anderen Gebietskörperschaften sein.
Aufgrund der knappen Ressourcen und zu beobachtenden Aufgabenkürzungen und Schließungen relevanter Einrichtungen für die Bürger ist kritisch zu hinterfragen, ob die skizzierten Entwicklungen und Arbeitsprozesse in der Public Corporate Governance ohne den D-PCGM in dieser Form vertretbar sind.

Ganzheitliche & Individuelle Vorteile

Folgend werden einige Punkte in Kurzform herausgestellt, welche die ganzheitlichen und individuellen Vorteile durch einen fundiert entwickelten D-PCGM belegen.

  • Unterstützung bei der Evaluation von bestehenden Public Corporate Governance Kodizes und der Etablierung von neuen Public Corporate Governance Kodizes in den jeweiligen Gebietskörperschaften.

  • Bündelung von Erfahrungen und Kompetenzen sowie fundierte und neutrale Grundlage für die Diskussion und Etablierung von anforderungsgerechten Regelungen in dem Public Corporate Governance Kodex einer Gebietskörperschaft.

  • Bewusstsein für verantwortungsvolle Public Corporate Governance übergreifend zu stärken und dem Thema den gerechtfertigten Stellenwert in der Diskussion.

  • Beitrag zur Stärkung des Vertrauens von Bürgerinnen und Bürgern in die öffentliche Hand und in öffentliche Unternehmen.

  • Arbeitserleichterungen und Zeitersparnisse für verschiedene Personen und Personengruppen in den Gebietskörperschaften und Unternehmen.

  • Hilfreiche und nützliche Beiträge für einen Austausch im Arbeitsalltag zur kontinuierlichen Weiterentwicklung der Public Corporate Governance für alle mit der Thematik befassten Akteursgruppen mit dem Ziel einer bestmöglichen Erfüllung öffentlicher Aufgaben.

  • Beitrag zur Stärkung des Vertrauens von Gesellschaftern und Investoren sowie von den Beschäftigten in die öffentliche Hand und in öffentliche Unternehmen.

  • Mediale Aufmerksamkeit für das Thema Good Governance und verantwortungsvolle Unternehmensführung.

  • Beitrag zu einem rollenkonformen Verhalten zwischen den Gesellschaftern und Unternehmen im Sinne der öffentlichen Aufgabenerfüllung bei jeweiligen Freiheitsgraden.

  • Übergreifende Stärkung des Bewusstseins für verantwortungsvolle Public Corporate Governance und des gerechtfertigten Stellenwerts des Themas in der gesellschaftspolitischen Diskussion.

Fazit & Ausblick

Zentral für eine theoretisch-konzeptionelle Analyse des Instruments Public Corporate Governance Kodex sowie für die aktuellen Diskussionen in der Praxis ist es herauszustellen, dass ein Public Corporate Governance Kodex bei Erfüllung der einschlägigen Anforderungen sowohl aus theoretischer, als auch praxisorientierter Sicht wertvolle Entwicklungsbeiträge liefert, die kein anderes Instrument in diesem Feld zu leisten vermag. Für eine nachhaltige öffentliche Aufgabenerfüllung und Haushaltskonsolidierung sollten in diesem Sinne alle Chancen durch verantwortungsvolle Public Corporate Governance ausgeschöpft werden.

Angesichts der einschlägig belegten Vollzugs- und Regelungsdefizite in der Public Corporate Governance sollte nie aus dem Blick geraten, dass in Gebietskörperschaften mit einem Public Corporate Governance Kodex im Vergleich zu Kommunen ohne Kodex bei allen Schwierigkeiten und berechtigten Kritikpunkten zumindest einige, ansonsten für das Gemeinwesen nicht realisierte Entwicklungsbeiträge, möglich werden. Gerade diese Vergleichsperspektive ist von Relevanz.

Neben übergreifenden Potenzialen bringt der auf einer Webseite veröffentlichte D-PCGM gemeinsame Vorteile für viele Beteiligte auf verschiedenen Ebenen. Der D-PCGM ist ein fundiert ausgearbeitetes Unterstützungsangebot, welches die Gebietskörperschaften für die jeweilige Etablierung eines Public Corporate Governance Kodex oder die regelmäßig vorgesehene Evaluation eines bereits vorliegenden Public Corporate Governance Kodex kostenfrei nutzen können.

Der D-PCGM kann dazu beitragen, die Entscheidungsvorbereitung für demokratisch-legitimierte und politisch verantwortliche Akteure kontinuierlich zu verbessern und er bietet Impulse zu möglichen Herangehensweisen an zahlreiche „fachliche Governancefragen“. Aus übergreifender politischer Perspektive verspricht der D-PCGM ernstzunehmende und relevante Beiträge in der gesellschaftlichen Debatte um Erhalt und Wiedergewinnung von Vertrauen in staatliche Institutionen, um demokratisch legitimierte Handlungsmöglichkeiten, politische Steuerungschancen, politische Kultur und politischen Wettbewerb auf der Grundlage von klaren Spielregeln, Good Governance als Arbeitgeberattraktivitätsfaktor, Bürgernähe, und Good Governance gegen Politikverdrossenheit oder sogar Demokratieverdrossenheit.

Eine kompakte Übersicht zu Bedarf und Chancen eines D-PCGM finden Sie in:

  • Papenfuß, U. (2019): Die Zeit ist reif für einen Public Corporate Governance-Musterkodex: Aktuelles Konsultationsverfahren für übergreifenden Mehrwert und Arbeitserleichterung im Alltag nutzen, in: Board: Zeitschrift für Aufsichtsräte, Heft 3, S. 116-118, hier abrufbar auf researchgate.net
  • Papenfuß, U. (2017): Public Corporate Governance Kodizes: Wie wir einen bundeslandübergreifenden Musterkodex entwickeln können, in: Michèle Morner/Ulf Papenfuß (Hrsg.), Anreizsysteme, Personalmanagement und Vergütung in den Unternehmen der Kommunen, des Bundes und der Länder, Speyer, S. 49-65, hier abrufbar auf researchgate.net
  • Papenfuß, U. (2013): Verantwortungsvolle Steuerung und Leitung öffentlicher Unternehmen – Empirische Analyse und Handlungsempfehlungen zur Public Corporate Governance, Wiesbaden. (Kapitel 11.6 „Ganzheitliche und individuelle Vorteile durch einen bundeslandübergreifenden Grundlagenkodex“ und 11.7 „Übersicht zu Forderungen für eine hochrangige PCG-Kommission“)
  • Weitere Autor/innen siehe in Bibliothek auf dieser Internetseite: Studien